TB VII

Pharma und Healthcare

Integrität und Transparenz

Seit 1. Januar 2020 gelten neue Regeln für den Umgang mit geldwerten Vorteilen, neu: „nicht gebührende Vorteile“. Die gesetzlichen Bestimmungen des HMG werden durch eine Verordnung des Bundesrates weiter präzisiert und teilweise ergänzt.

13.05.2022 Matthias Stauffacher  •   Dr. Christoph Willi, LL.M.

Zusätzlich zum Privatkorruptionsstrafrecht und dem Krankenversicherungsgesetz (KVG) enthält das Heilmittelgesetz (HMG) Bestimmungen über den Umgang mit nicht gebührenden Vorteilen. Die heilmittel- und krankenversicherungsrechtlichen Bestimmungen werden durch die Verordnung über die Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich (VITH) näher ausgeführt.

Die Bestimmungen der VITH gelten nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel, nicht aber für OTC. Demgegenüber gelten die krankenversicherungsrechtlichen Bestimmungen zur Weitergabe von Vergünstigungen nur für Arzneimittel der Spezialitätenliste (SL).

Wer ist betroffen?

Die Bestimmungen über den Umgang mit nicht gebührenden Vorteilen gelten nicht nur für Ärzte und Apotheker, sondern auch für Spitäler und Heime. Mit der Definition des Begriffs „Organisation“ stellt die VITH klar, dass nicht nur die mit dem Einkauf, Verschreibung, Abgabe oder Anwendung befassten Einzelpersonen, sondern auch Unternehmen zur Einhaltung dieser Bestimmungen verpflichtet sind.

Die Ausnahmen vom Vorteilsverbot

Das HMG verbietet im Grundsatz nicht gebührende Vorteile. Die Ausnahmen von diesem Vorteilsverbot sind bereits im HMG vorgesehen. In der VITH werden die Ausnahmen weiter konkretisiert:

  1. Vorteile von bescheidenem Wert: Der bescheidene Vorteil muss einen Bezug zu Berufstätigkeit der Fachperson aufweisen oder der Kundschaft zugutekommen: Ein Gratis-Fiebermesser oder ein Schaukelpferd fürs Wartezimmer sind zulässig, eine Einladung zum Mittagessen aber nicht. Die VITH begrenzt den Wert auf CHF 300 pro Fachperson und Jahr. Dies entsprach der bisherigen Swissmedic Praxis, ist nun aber in der Verordnung festgeschrieben.
  2. Unterstützungsbeiträge für Forschung und Lehre bei Spitälern oder für Weiter- und Fortbildung von Fachpersonen: Auch die Übernahme von Teilnahmegebühren an Weiter- und Fortbildungsveranstaltungen ist zulässig, sofern die Fachperson einen bestimmten Selbstkostenbeitrag übernimmt. Die VITH bestimmt den anteilsmässig zu übernehmenden Selbstkostenbeitrag.
  3. Fee for Service: Das HMG lässt Abgeltungen für gleichwertige Gegenleistungen zu, insbesondere für die Bestellung und Lieferung von Arzneimitteln. Die Abgeltungen müssen schriftlich vereinbart werden. Die VITH enthält eine Liste zulässiger Gegenleistungen. Logistikaufwand, Lagerkosten und Lagerrisiko; Lehr-, Gutachtens- und Beratungstätigkeit; Praxiserfahrungsberichte; Mitwirkung in Beratungsgremien und Advisory Boards. Diese nicht abschliessende Aufzählung eröffnet ein weites Feld von Tätigkeiten, für welche eine Vergütung zulässig ist. Schwieriger – und von der VITH nicht konkretisiert – ist die Frage, wann eine Entschädigung „angemessen“ ist. Diese Frage stellt sich beispielsweise in Bezug auf umsatzbezogene Entschädigungen, wie sie im Grosshandel verbreitet sind.
  4. Rabatte und Rückvergütungen, sofern sie keinen Einfluss auf die Wahl der Behandlung haben: Jedenfalls nach dem Wortlaut des HMG ist kein Zusammenhang zur Wahl eines bestimmten Arzneimittels erforderlich. Der Rabatt oder die neu auch zulässigen Rückvergütungen dürfen lediglich die Therapiewahl nicht beeinflussen. Gemäss den Erläuterungen zur VITH soll ein Rabatt unzulässig sein, wenn ungeeignete, unnötige oder über-mässig Arzneimittel angewandt werden.

Wann liegt ein Rabatt vor?

Die VITH bestimmt, was unter einem Rabatt zu verstehen ist. Bei SL-Arzneimitteln liegt ein Rabatt vor, wenn der effektiv bezahlte Preis unter dem Fabrikabgabepreis liegt. Damit dürfte sich die Diskussion um den Anteil der Logistikkosten weitgehend erübrigen.

Nach wie vor unklar ist, wie der Standardpreis bei Nicht SL-Arzneimitteln zu berechnen ist. Gemäss den Erläuterungen der VITH soll hier auf den „üblicherweise“ bezahlten Preis abgestellt werden. Bei nicht staatlich festgelegten Höchstpreisen hilft dieses Kriterium aber oftmals nicht weiter.

Wer ist verantwortlich?

Wer Heilmittel herstellt oder vertreibt, muss eine Ansprechperson bezeichnen, welche die vom BAG verlangten Informationen liefert. Diese Pflicht beschränkt sich also auf Hersteller und Grosshändler. Ähnlich dem Datenschutzverantwortlichen müssen sie einen Integritätsverantwortlichen bezeichnen. Dieser muss sämtliche Vereinbarungen betreffend Vergütungen an Fachpersonen und Organisationen für 10 Jahre aufbewahren. Anders als im ersten Entwurf der VITH soll diese Person aber keine zusätzliche straf- oder heilmittelrechtliche Verantwortung treffen.

Teilweise Weitergabe von Rabatten

Das KVG eröffnet die Möglichkeit, Vergünstigungen nur teilweise weiterzugeben. Der dem Leistungserbringer verbleibende Teil muss nachweislich zur Verbesserung der Qualität eingesetzt werden. Diese Pflichten werden durch die VITH näher ausgeführt.

In Bezug auf die Weitergabe bestimmt die VITH, dass Kosten, die bereits in die Tarife und Preise der entsprechenden Leistungen einfliessen, nicht als Rabatte ausgewiesen werden müssen. Dies hat Auswirkungen im Spitalbereich. Faktisch wird damit der gesamte DRG-Bereich von der Weitergabe ausgenommen. Im stationären Bereich sind Rabatte nicht auszuweisen, sofern sie im Pauschaltarif berücksichtigt werden. Im ambulanten Bereich sind die Bestimmungen über den Umgang mit nicht gebührenden Vorteilen aber anwendbar. In diesem Bereich unterliegen also auch Spitäler der Weitergabepflicht. Bei Verträgen mit Spitalapotheken ist deshalb die unterschiedliche Behandlung des stationären und ambulanten Bereiches durch den Verordnungsgeber zu beachten.

Vereinbarungen über die teilweise Weitergabe sollen gemäss VITH in erster Linie zwischen Verbänden der Leistungserbringer und den Versicherern abgeschlossen werden und nicht mit individuellen Leistungserbringern. Letztere sind vom Abschluss derartiger Vereinbarungen aber nicht ausgeschlossen.

In der Vereinbarung über die teilweise Weitergabe sind die Art und der Umfang der Vergünstigung sowie die Verwendung des nicht weitergegebenen Anteils klar zu regeln. Massnahmen zur Verbesserung der Behandlungsqualität sind „in erster Linie“ auf national ausgerichtete Programme auszurichten.

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