Gespräch Anwaltsassistentin Streichenberg

Arbeitsrecht

Massenentlassungen – betriebliche Notwendigkeit mit juristischen Tücken

Massenentlassungen sind manchmal unvermeidbar, um die langfristige Existenz eines Betriebs zu sichern, sei es im Rahmen einer Restrukturierung, im Zusammenhang mit einem Unternehmenskauf oder aufgrund einer finanziellen Krise. Die betroffenen Unternehmen müssen sich dabei neben den menschlichen auch komplexen rechtlichen Herausforderungen stellen.

20.01.2025 Fanny Sutter, LL.M.  •   Andrea Waditschatka

Ab einer gewissen Unternehmensgrösse und sofern eine bestimmte Anzahl Kündigungen erreicht wird, befindet man sich im Bereich der gesetzlich regulierten Massenentlassung. Eine Massenentlassung liegt vor, wenn ein Unternehmen innerhalb von 30 Tagen

  • mindestens 10 Mitarbeitende entlässt, in Betrieben mit 20 bis 100 Mitarbeitenden,
  • mind. 10% der Mitarbeitenden entlässt, in Betrieben mit 100 bis 299 Mitarbeitenden,
  • mind. 30 Mitarbeitende entlässt, in Betrieben mit mehr als 300 Mitarbeitenden.

Betriebliche Notwendigkeit

Massenentlassungen sind oft eine Reaktion auf gravierende wirtschaftliche Schwierigkeiten oder die Folge von unternehmensinternen Restrukturierungen oder Firmenübernahmen. Sie können zentral sein, um die Wettbewerbsfähigkeit und die langfristige Existenz eines Unternehmens zu sichern und eine Insolvenz abzuwenden. Typischerweise ist auch das Instrument der Kurzarbeit in diesen Fällen keine passende Lösung.

Rechtliche Herausforderungen

Die Durchführung einer Massenentlassung erfordert die Einhaltung spezifischer gesetzlicher Vorgaben. Das Unternehmen ist dabei im engen Austausch mit dem lokalen Arbeitsamt, das zwar keine Kontrollfunktion ausübt, dem Unternehmen aber unterstützend zur Seite steht bspw. mit Orientierungs- und Informationsveranstaltungen für Mitarbeitende. Insbesondere sind die folgenden Schritte zu beachten:

  • Eröffnung des Verfahrens und Konsultation: In einem ersten Schritt muss das Unternehmen die Mitarbeitenden bzw., falls vorhanden, die Arbeitnehmervertretung über die geplanten Entlassungen informieren und konsultieren. In diesem Prozess, der üblicherweise 10 Tage bis zwei Wochen dauert, haben die Mitarbeitenden Gelegenheit, der Geschäftsleitung Vorschläge zu unterbreiten, wie Kündigungen vermieden, deren Anzahl reduziert oder deren Folgen gemildert werden können. 
  • Abschluss der Konsultation und Information des Arbeitsamts: Über die Ergebnisse der Konsultation muss das kantonale Arbeitsamt nach Abschluss des Konsultationsverfahrens schriftlich in Kenntnis gesetzt werden. 
  • Vollzug: Nach der Meldung ans Arbeitsamt kann mit den Kündigungsgesprächen gestartet werden. Wichtig ist, dass die vertraglichen bzw. gesetzlichen Kündigungsfristen eingehalten werden. 
  • Sozialplan: Beschäftigt ein Unternehmen mindestens 250 Mitarbeitende und wird beabsichtigt innert 30 Tagen mindestens 30 Kündigungen auszusprechen, so besteht eine gesetzliche Verhandlungspflicht über einen Sozialplan. Je nach Situation können sich Sozialplanverhandlungen aber auch ausserhalb dieses Schwellenwerts aufdrängen. 

Werden die Voraussetzungen des Massenentlassungsverfahrens nicht eingehalten, so kann dies finanziell schwerwiegende Folgen für das Unternehmen nach sich ziehen, insbesondere können Mitarbeitende Entschädigungen aufgrund missbräuchlicher Kündigung gerichtlich einklagen.

Praxistipps

Zentral für den reibungslosen Ablauf eines Massenentlassungsprozesses ist eine frühzeitige, massgeschneiderte Planung, welche sämtliche rechtlichen Voraussetzungen berücksichtigt und Spielraum lässt für unerwartete Ereignisse und Eventualitäten, beispielsweise Wahl einer Arbeitnehmervertretung oder Aushandlung eines Sozialplans. Eine transparente und professionelle Kommunikation mit den Mitarbeitenden und der Arbeitnehmervertretung kann zudem zur Akzeptanz der Massnahmen beitragen. 

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